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Krankheit zwischen Musik und Literatur

Vor fast drei Jahren wurde sie verselbständigt: die Abteilung für Pneumologie am Johannes Wesling Klinikum Minden. Damit ist sie eine der jüngeren Disziplinen in dem Maximalversorger. Unter der Leitung von Dr. Ryszard Turkiewicz werden hier Menschen behandelt, die an einer Erkrankung der Atemwege leiden. Obwohl die Zahl der an Lungenerkrankungen Leidenden stark steigend ist, fand die Pneumologie ihren Weg in die moderne Klinikwelt mit etwas Verspätung. Doch die Literatur und Musikgeschichte ist voll von historischen Zeugnissen der Lungenkrankheiten.

„Die drei berühmtesten Ärzte der ganzen Insel haben mich untersucht; der eine beschnupperte, was ich ausspuckte, der zweite klopfte dort, von wo ich spuckte, der dritte befühlte und horchte, wie ich spuckte. Der eine sagte, ich sei krepiert, der zweite meinte, dass ich krepiere, der dritte, dass ich krepieren werde.“ So beschrieb der an Tuberkulose erkrankte Frédéric Chopin in einem Brief, den er am 3. Dezember 1838 schrieb, die mallorquinischen Ärzte. Im November des Jahres war der Pianist und Komponist gemeinsam mit George Sands nach Mallorca gereist, in der Hoffnung, seinen Gesundheitszustand im milden Klima zu verbessern.

Berühmte Lungenkranke

Vor fast drei Jahren wurde sie verselbständigt: die Abteilung für Pneumologie am Johannes Wesling Klinikum Minden. „Doch der Winter war verregnet, die Unterkunft in der Klosterkartause Valldemossa kalt und die Schriftstellerin Georges Sand, mit der Chopin liiert war, rauchte Zigarren“, sagt Dr. med. Ryszard Turkiewicz, Ärztlicher Leiter der Abteilung für Pneumologie im Johannes Wesling Klinikum Minden. Gesundheitlich habe der Aufenthalt Chopin nichts gebracht. Auch der italienische Geiger und Komponist Niccolò Paganini, der Dramatiker Molière und sämtliche Kinder des Malers Rembrandt litten an Tuberkulose. „Bis Mitte des 19. Jahrhunderts gab es nur geringe Möglichkeiten, den Menschen, die an der Schwindsucht genannten Krankheit litten, zu helfen“, so der Mediziner. Linderung sollten Aderlass, Opiumpräparate gegen den Husten oder das Ablassen von Flüssigkeit aus der Lunge geben.

„Man stellte fest, dass es in bestimmten Gebieten in Europa wie der Schweiz oder Italien nur wenig Tuberkuloseerkrankte gab“, berichtet Turkiewicz. Hier wurden Heilstätten angesiedelt, um die Patienten mit klimatischen Behandlungen, kalorienreichen Diäten, zu denen auch Alkohol gehörte, sowie Liegekuren zu helfen. In Thomas Manns "Zauberberg" ist dies ausführlichst literarisch beschrieben. Die Lungenheilkunde war daher eher Abseits in speziellen Kliniken angesiedelt und nicht in den städtischen Krankenhäusern. Im Zeitalter der Industrialisierung, als große Menschenmengen in die Städte zogen und in beengten Wohnungen unter mangelnden hygienischen Bedingungen dicht beieinander lebten, breitete sich die unter anderem durch Tröpfcheninfektion übertragene, ansteckende Krankheit aus.

Robert Koch gelingt der Durchbruch

„Der Durchbruch in ihrer Bekämpfung war die Entdeckung des Tuberkulose-Bakteriums 1882 durch Dr. Robert Koch.“ Das von Koch entwickelte Mittel Tuberkulin brachte jedoch nicht den gewünschten Heilerfolg. Das erzielten erst die modernen Chemotherapeutika. Das erste Tuberkulosemittel 1946 wurde vom deutschen Arzt Gerhard Domagk entwickelt, der bereits für das Sulfonamid „Prontosil“ 1939 den Nobelpreis für Medizin erhielt. „Die Chemotherapie hat bei der Behandlung von Tuberkulose den Weg geebnet“, sagt Ryszard Turkiewicz.

Die bis heute wichtigsten Mittel seien in den 1960er-Jahren entwickelt worden, seitdem kamen nur wenig weitere Medikamente hinzu. „Die Erkrankung ist gut zu behandeln, wir haben sie weitgehend in der Hand.“ 2010 seien beispielsweise in ganz Deutschland nur 4.444 Fälle aufgetreten, „damit gehört Tb zu den seltenen Erkrankungen“, erläutert der Leiter der Abteilung für Pneumologie am Johannes Wesling Klinikum Minden. Dennoch gebe es bestimmte Menschengruppen, die durch Tuberkulose gefährdet seien. „Dazu gehören HIV-Träger, Menschen, bei denen das Immunsystem geschwächt ist, oder Migranten aus ärmeren Ländern.“ Auch sei eine Entwicklung resistenter Tuberkulosebakterien in den letzten Jahren festgestellt worden.

Neue Geißel aufgetaucht

Eine weitaus dramatischere Erkrankung ist der Lungenkrebs. „Pro Jahr gibt es rund 52.000 neue Fälle, Tendenz stark steigend“, sagt Turkiewicz. Das läge auch an den 1980er- und 90er-Jahren, in denen extrem viel geraucht wurde. Lungenkrebs entwickle sich erst nach einiger Zeit. „Aber auch Menschen, die nie geraucht haben, können daran erkranken.“

Im Lungenzentrum Minden stehen modernste Geräte zur Diagnose und Therapie bereit. Während der so genannten Tumorkonferenzen, an denen Experten wie Lungenfachärzte, Pathologen, Radiologen, Nuklearmediziner, Thoraxchirurgen, Onkologen und Strahlentherapeuten beteiligt sind, wird gemeinsam die Strategie der Behandlung festgelegt. 16 bis 21 Prozent der Patienten werden vollständig geheilt, bei den anderen wird durch die Behandlung die Lebensqualität deutlich verbessert. „Die Symptome lassen sich lindern, endoskopische Behandlungen bieten viele Möglichkeiten, genauso wie auch Bestrahlungen“, sagt Turkiewicz, dessen Schwerpunkt bei der interventionellen, endoskopischen Behandlung liegt. Seit einiger Zeit gebe es auch die individualisierte Therapie. Dabei werde das Erbgut des Patienten „entziffert“, und die Medikamentenwirkung kann noch genauer abgeschätzt werden.

Eine weitere Möglichkeit biete die Lungentransplantation. „Wir haben sehr gute Kliniken in der Nähe, die Lungentransplantationen durchführen, wie beispielsweise das Herz- und Diabeteszentrum NRW in Bad Oeynhausen“, so der Chefarzt. „Gemeinsam mit unserer Partnerklinik für Pneumologie am MKK Krankenhaus Bad Oeynhausen werden dort seit etwa zwei Jahren wieder verstärkt solche Transplantationen durchgeführt.

In der Abteilung für Pneumologie am Johannes Wesling Klinikum werden auch Akutpatienten, die an einer Lungenentzündung erkrankt sind, behandelt. „Für Patienten mit COPD (Chronic Obstructive Pulmonary Disease), einer chronischen Erkrankung der Atemwege, gibt es gute und wirksame Medikamente, die wir seit über zehn Jahren mit viel Erfolg einsetzen“, berichtet der Mediziner. „Zusammen mit der Selbsthilfegruppe COPD vor Ort werden Informationsveranstaltungen im JWK für alle Interessierten zu dem Thema unter dem Titel „Atemlos durch das Leben“ angeboten.“

Bei selteneren Erkrankungen wie der Lungenfibrose, einer chronischen Entzündungen des Lungenbindegewebes, oder der Knötchen bildenden Sarkoidose stehen den Ärzten ebenfalls zahlreiche moderne Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. „Lungenhochdruck, die Pulmonale Hypertonie, kann auch schon bei jüngeren Patienten auftreten“, sagt Turkiewicz. Hier werden durch die Kombination verschiedener Wirkstoffe immer bessere Ergebnisse erzielt. „Einen Meilenstein in der Diagnose und Behandlung von Lungenkrankheiten hat der Japaner Shigeto Ikeda mit dem flexiblen Endoskop für Bronchoskopien entwickelt“, sagt der Chefarzt. Es ermögliche die Betrachtung selbst kleiner Atemwege.

Zwischen Chopins Brief aus dem Jahr 1838, in dem er sich über die mallorquinischen Ärzte äußert, und der Behandlung von Menschen mit Lungenerkrankungen heute liegen 175 Jahre – und bahnbrechende Entwicklungen in der Medizin, die den Menschen viel Leid ersparen. (Text: Steffen Ellerhoff - Mühlenkreiskliniken AöR)