Multiresistenz: Keime kennen keine Grenzen
Die moderne Medizin ist ein Segen für die Menschheit. Waren Infektionserkrankungen noch bis vor ungefähr 70 Jahren häufig lebensbedrohlich, so können sie heute mit Hilfe von Medikamenten schneller und besser therapiert werden. Auch wenn bei Naturvölkern Heilverfahren mit der bakterientötenden Wirkung bestimmter Pilzarten bekannt waren, so begann mit der offiziellen Entdeckung des Penicillins in den 1940er Jahren der wirkliche Siegeszug gegen die bakteriellen Infektionserkrankungen.
Doch damit begann auch ein Wettlauf: Bakterie gegen Wissenschaft und Medizin. Durch den Einsatz des Penicillin und anderer Substanzen aus der Medikamentengruppe der so genannten Antibiotika modifizierte die Gruppe der Bakterien ihre Evolution, und immer neue, gegen Antibiotika resistente Keime, entwickelten sich. Der gezielte Umgang mit Antibiotika und besondere Vorsicht im Umgang mit resistenten Keimen ist gerade in Krankenhäusern zu einem enorm wichtigen Thema geworden.
Die Mühlenkreiskliniken leisten seit Jahren intensive Arbeit auf diesem Gebiet, um Patienten, Angehörige und auch Mitarbeiter vor multiresistenten Erregern (MRE) zu schützen. Für die konsequente Verbesserung der Versorgungsqualität und der Versorgungssicherheit der Patientinnen und Patienten wurden fast alle Häuser mit dem Qualitätssiegel MRSA ausgezeichnet. Der MRSA (Methicillin-resistenter Staphylococcus aureus) ist einer der am häufigsten auftretenden multiresistenten Erreger. „Die Ursachen dafür liegen im übermäßigen Einsatz nur weniger Antibiotikagruppen, die Gabe von so genannten Breitbandantibiotika oder eine nicht passende Dosierung“, sagt Prof. Dr. Franz-Josef Schmitz, Chefarzt des Institutes für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie, Hygiene, Umwelt- und Transfusionsmedizin der Mühlenkreiskliniken. „Auch die Mobilität in der Welt trage zur Verbreitung der Erreger bei. Zudem gebe es vor allem in südlichen Ländern freien Zugang zu Antibiotika.“
Keime kennen keine Grenzen„Träger eines solchen Keimes kann jeder sein“, sagt Prof. Schmitz. Der Betroffene selber müsse hierbei nicht krank sein und wisse oft auch gar nicht, dass er Keimträger sei. „Dieses Risiko bewerten wir schon bei der Aufnahme des Patienten in das Johannes Wesling Klinikum Minden und den anderen Häusern der Mühlenkreiskliniken“, so Prof. Schmitz. Bringen Patienten ein bestimmtes Risikoprofil mit, werde er nach Kriterien des Robert Koch-Institutes überprüft. „Ist ein Patient Träger, ergreifen wir sofort Schutz- und Hygienemaßnahmen. Dazu gehört, dass der betroffene Patient isoliert untergebracht wird.“
In der mikrobiologischen Abteilung, „sie ist ein großes Prä für die Mühlenkreiskliniken“, werden entnommene Proben untersucht und wirksame Antibiotika empfohlen. Neben der Gabe von Antibiotika und spezieller Nasensalbe – denn die Keime sitzen im Nasen-Rachen-Raum – werden umfangreiche Maßnahmen im Bereich der Hygiene ergriffen. Dazu zählen der tägliche Wechsel von Bett-, Körper- und Pflegewäsche, die Desinfektion oder Austausch persönlicher Gebrauchsgegenstände wie Brille oder Zahnbürste. Das Klinikpersonal darf nur in Schutzkleidung und mit Mundschutz arbeiten. Der Patient und dessen Besucher werden ausführlich informiert. „Unsere Mitarbeiter werden kontinuierlich geschult“, betont Prof. Schmitz.
„Für gesunde Menschen sind diese Erreger weitestgehend ungefährlich“, sagt der Chefarzt. Bei kranken oder geschwächten Patienten könnten sie aber eine bedrohliche Infektion auslösen. „Wir haben aber genug unterschiedliche Substanzen, die für die individuelle Behandlung geeignet sind“, so Prof. Schmitz.
„Unsere Strategien gegen die Antibiotika-Resistenzen setzen sich aus den beiden Bereichen Hygiene und Antibiotika zusammen“, sagt Prof. Schmitz. Zur Hygiene gehören beispielsweise klar definierte Leitlinien und Infektionskontrollen, zum Bereich Antibiotika Kombinationstherapien oder Dosis-Optimierungen. Dadurch werden die Entstehung weiterer Resistenzen sowie das Risiko der Weiterverbreitung reduziert.
Seit 2012 gibt es bei Mühlenkreiskliniken unter der Leitung von Dr. Jasmina Petridou, ebenfalls im Institut für Laboratoriumsmedizin, Mikrobiologie, Hygiene, Umwelt- und Transfusionsmedizin tätig und neben Prof. Schmitz die zweite Fachärztin für Mikrobiologie und Infektionsepdemiologie, das Antibiotic Stewardship (ABS). „ABS, der verantwortungsbewusste Umgang mit Antibiotika, hat zum Ziel, die Auswahl, die Dosis, die Verabreichungsform und die Dauer der Verabreichung antimikrobieller Substanzen zu optimieren“, erklärt Frau Dr. Petridou, einige der bisher wenigen ABS-Experten in ganz Deutschland.
Ein multidisziplinäres Team aus Fachärzten, Krankenhaushygienikern, Mikrobiologen und Apothekern sowie Daten zum Antibiotika-Verbrauch, Erregern und Resistenzen bilden die Basis für ABS in den Mühlenkreiskliniken. „Wir müssen lernen, mit Antibiotika rational umzugehen.“
Jeder, der in einer Klinik Patient ist oder als Besucher kommt, kann schon mit wenig Aufwand etwas für die Hygiene tun und somit zur Sicherheit für alle beitragen: Sich regelmäßig die Hände waschen oder am Eingang die dort bereitstehende Handdesinfektion benutzen – beim Kommen und Gehen. (Text: Steffen Ellerhoff - Mühlenkreiskliniken AöR)