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Die Schlüsselgewalt

Im Mittelalter trugen verheiratete Frauen öffentlich sichtbar einen Schlüsselbund, um zu zeigen, dass sie das Recht hatten, den Haushalt eigenverantwortlich zu regeln. Dies ist heute nicht mehr üblich, doch existiert noch immer die so genannte Schlüsselgewalt, erklärt Regina Gerdom (Foto), Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht in Lübbecke.

Schließt ein Ehegatte während der Ehe einen Vertrag, so wird unter Umständen der andere Ehegatte mitverpflichtet. Dies ist gemäß §1357 Abs.1 BGB dann der Fall, wenn es sich um Geschäfte zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs der Familie handelt. Durch diese Geschäfte werden beide Ehegatten berechtigt und verpflichtet, es sei denn, dass sich aus den Umständen etwas anderes ergibt. Diese Regelung gilt im Übrigen durch Verweis des §8 Abs.2 LPartG auch für eingetragene Partnerschaften.

Es müssen also mehrere Voraussetzungen erfüllt sein, dass der andere Ehegatte mitverpflichtet wird:

  • Bei Vertragsschluss muss eine gültige Ehe bestehen. Allerdings muss der Vertragspartner hiervon nicht notwendigerweise Kenntnis haben.
  • Es muss ein Geschäft zur angemessenen Deckung des Lebensbedarfs vorliegen. Dies ist z.B. der Fall beim Kauf von Nahrungsmitteln, Kleidung oder Haushaltsgeräten bzw. bei der Reparatur von Haushaltsgegenständen. Als Faustregel gilt: unter §1357 BGB fallen alle Verträge, über deren Abschluss die Ehegatten im Normalfall keine vorherige Absprache treffen. Nicht unter §1357 BGB fallen Geschäfte, die die Lebensbedingungen der Familie grundlegend bestimmen oder verändern, also wichtige Verträge, über deren Abschluss sich die Ehegatten vor einer Entscheidung zu beraten und zu verständigen pflegen.
  • Weiterhin muss das Geschäft den Bedarf der Familie decken und angemessen sein. Das bedeutet, das Geschäft muss sich im Rahmen der wirtschaftlichen Verhältnisse und Lebensgewohnheiten der Familie halten. Entscheidend ist also, wie die konkrete Familie lebt und wirtschaftet.
  • Außerdem dürfen keine Ausschlussgründe vorliegen, wie z.B. §1357 Abs.3 BGB. Danach scheidet eine Mitverpflichtung des Ehegatten aus, wenn diese getrennt leben. Eine Mithaftung des anderen Ehegatten ist auch nicht gegeben, wenn dieser die Einschränkung oder den Ausschluss in das Güterrechtsregister hat eintragen lassen. Auch dürfen keine „anderen Umstände“ vorliegen, z.B. eine ausdrückliche oder erkennbar gewollte Alleinhaftung.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, so haftet ein Ehegatte, wenn der andere Ehegatte einen Vertrag abschließt.

Im Mittelalter trugen verheiratete Frauen öffentlich sichtbar einen SchlüsselbundWas aber passiert, wenn ein Ehegatte während intakter Ehe ein Dauerschuldverhältnis eingeht, z.B. einen Stromlieferungsvertrag, der andere Ehegatte nach einiger Zeit aber infolge von Trennung aus der Wohnung auszieht. Haftet der ausgezogene Ehegatte dann weiterhin?

Diesen Fall hatte der BGH kürzlich zu entscheiden (Entscheidung vom 24.04.2013, AZ: XII ZR 159/12). Ein Ehemann hatte mit einem Stromkonzern einen Vertrag über die Lieferung von Strom abgeschlossen. In der Folgezeit trennte sich das Ehepaar und die Ehefrau zog aus der gemeinsamen Wohnung aus. Die Ehefrau teilte dem Stromkonzern jedoch weder mit, dass sie ausgezogen war, noch kündigte sie den Stromlieferungsvertrag.

Es kam, wie es kommen musste. Der Ehemann lebte weiter in der Wohnung, zahlte aber die Stromrechnungen nicht mehr. Der Stromkonzern kündigte daraufhin den Vertrag und nahm die Ehefrau wegen der ausstehenden Beträge in Anspruch. Diese wehrte sich dagegen mit der Begründung, ihre Zahlungsverpflichtung sei mit ihrem Auszug aus der Wohnung erloschen.

Der BGH stellte zuerst einmal fest, dass der Abschluss des Stromlieferungsvertrages durch den Ehemann während bestehender Ehe ein Bedarfsdeckungsgeschäft darstellt. Die Ehefrau habe daher, ebenso wie der Ehemann, aus dem Vertrag gehaftet (§1357 Abs.1 BGB).

Weiterhin entschied der BGH, dass die Mithaftung der Ehefrau auch nicht durch ihren Auszug aus der Ehewohnung beendet wurde. Eine so genannte Enthaftung der Ehefrau ergebe sich insbesondere auch nicht aus §1357 Abs.3 BGB. Dieser normiert zwar, dass keine Mithaftung erfolgt, wenn ein Ehegatte in der Zeit des Getrenntlebens einen Vertrag abschließt. Ein solcher Fall liegt hier aber nicht vor. Denn der Energielieferungsvertrag, bei dem es sich um ein Dauerschuldverhältnis handelt, wurde vor dem Auszug und somit vor dem Getrenntleben abgeschlossen. Es kommt hier auf den Abschluss des Vertrages an und nicht darauf, wann die einzelnen Verbindlichkeiten entstanden sind.

Die getrennt lebende Ehefrau muss also für die Energieschulden ihres Ehemanns aufkommen, obwohl sie zum Zeitpunkt der Stromnutzung und der Entstehung der Schulden schon nicht mehr in der Wohnung gelebt hat.