• Lübbecke
  • Espelkamp
  • Rahden
  • Pr. Oldendorf
  • Hüllhorst
  • Stemwede

Prozesskostenhilfe gibt's nur bei echter Bedürftigkeit

Manchmal ist es notwendig, einen Gerichtsprozess zu führen. Ein gerichtliches Verfahren kostet jedoch Geld. Ein Anwalt muss bezahlt werden, und auch das Gericht erhebt Gerichtskosten. Was ist, wenn jemand kein Geld besitzt, um ein solches Verfahren zu bezahlen? Muss er dann auf die Geltendmachung seiner Rechte verzichten. 

Hat jemand kein Einkommen oder Vermögen, um die Kosten einer Prozessführung aufzubringen, so kann er einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (bzw. in Familiensachen auf Verfahrenskostenhilfe) stellen, weiß Regina Gerdom (Foto), Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht in Lübbecke. §114 Abs. 1 ZPO lautet: »Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.« Dieser Antrag auf Prozesskostenhilfe ist bei dem für das Verfahren zuständigen Gericht zu stellen. Die Tatsache, dass das Einkommen und das Vermögen nicht ausreichen, um den Prozess zu bezahlen, muss nachgewiesen werden, erklärt Regina Gerdom, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht mit Kanzlei in Lübbecke.

Hat jemand kein Einkommen oder Vermögen, um die Kosten einer Prozessführung aufzubringen, so kann er einen Antrag auf Prozesskostenhilfe (bzw. in Familiensachen auf Verfahrenskostenhilfe) stellenNeben dem Nachweis der Bedürftigkeit muss das angestrengte Verfahren aber auch hinreichende Aussicht auf Erfolg haben und darf nicht mutwillig erscheinen. Ob der beabsichtigte Klageantrag Aussicht auf Erfolg hat und nicht mutwillig ist, entscheidet ebenfalls das Gericht. 

Liegen sämtliche Voraussetzungen vor, wird dem Antragsteller Prozesskostenhilfe (bzw. in Familiensachen Verfahrenskostenhilfe) gewährt. Je nach Höhe der Einkünfte bzw. des Vermögens hat der Antragsteller unter Umständen monatliche Raten auf die Kosten zu zahlen. Diese Raten sind jedoch maximal 48 Monate lang zu zahlen. Verbessern sich allerdings die finanziellen Verhältnisse des Antragstellers nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe oder ändern sich die persönlichen Verhältnisse, z.B. durch einen Umzug, so kann der Beschluss auf Gewährung von Prozesskostenhilfe auch wieder abgeändert werden.

Die Gerichte fragen im Regelfall zwei Jahre und vier Jahre nach Bewilligung der Prozesskostenhilfe beim Antragsteller nach, ob sich Veränderungen in den persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnissen ergeben haben. Sind seit der rechtskräftigen Entscheidung oder der sonstigen Beendigung des Verfahrens vier Jahre vergangen, so erfolgt keine Überprüfung mehr (§120a Abs.1 S.4 ZPO).

Allerdings treffen auch den Antragsteller Mitwirkungspflichten. §120a Abs.2 ZPO: »Verbessern sich vor dem in Absatz 1 Satz 4 genannten Zeitpunkt die wirtschaftlichen Verhältnisse der Partei wesentlich oder ändert sich ihre Anschrift, hat sie dies dem Gericht unverzüglich mitzuteilen. Bezieht die Partei ein laufendes monatliches Einkommen, ist eine Einkommensverbesserung nur wesentlich, wenn die Differenz zu dem bisher zu Grunde gelegten Bruttoeinkommen nicht nur einmalig 100 Euro übersteigt. Satz 2 gilt entsprechend, soweit abzugsfähige Belastungen entfallen.« Auf diese Verpflichtung werden Antragsteller auch in den Formularen, die zur Beantragung von Prozesskostenhilfe bzw. Verfahrenskostenhilfe benutzt werden, deutlich hingewiesen.

Der Antrasteller muss also von sich aus dem Gericht melden, wenn er umzieht oder wenn sich sein monatliches Bruttoeinkommen mehr als einmal um mindestens 100 Euro erhöht. Gleiches gilt, wenn monatliche Belastungen in einer Höhe entfallen, die zu einer Steigerung des monatlichen Einkommens von mindestens 100 Euro führen.

In der Realität ist es häufig so, dass ein Antragsteller umzieht und nicht daran denkt, diese Änderung der Anschrift dem Gericht mitzuteilen. Doch was ist die Folge dieses Versäumnisses? Kann allein deswegen die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufgehoben werden mit der Folge, dass der Antragsteller die gesamten Prozesskosten in einer Summe selbst zahlen muss? 

Mit einem solchen Fall hatte sich das OLG Zweibrücken zu befassen (Entscheidung vom 07.04.2016, AZ: 6 WF 39/16). Ein Antragsteller, dem für ein Scheidungsverfahren Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden war, war umgezogen und hatte es versäumt, dem Gericht die Änderung seiner Anschrift mitzuteilen. Das Gericht fragte ein gutes Jahr nach Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe per Post beim Antragsteller nach, ob sich seine persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse geändert hatten. Dieser Brief konnte unter der bekannten Anschrift nicht zugestellt werden. Erst nach einer entsprechenden Abfrage wurde dem Gericht die neue Anschrift des Antragstellers bekannt. Aufgrund der versäumten Mitteilung der neuen Anschrift hob das Gericht die bewilligte Verfahrenskostenhilfe auf. Dagegen wehrte sich der Antragsteller und bekam vom OLG Zweibrücken Recht.

§124 Abs.1 Nr. 4 ZPO lautet: »Das Gericht soll die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei (…) dem Gericht (...) Änderungen ihrer Anschrift absichtlich oder aus grober Nachlässigkeit unrichtig oder nicht unverzüglich mitgeteilt hat.«

Das OLG Zweibrücken entschied, dass eine grobe Nachlässigkeit nicht bereits dann vorliegt, wenn die Partei trotz entsprechender Belehrung im Prozesskostenhilfe-Formular die Mitteilung schlicht vergisst. Ein grobes Fehlverhalten sei der Partei nachzuweisen und läge in diesem Fall nicht vor. Zitat des Gerichts: »Dass im Falle eines Umzugs die eine oder andere Stelle bei der Mitteilung der Anschriftenänderung übersehen werde, sei ein weit verbreitetes Phänomen. Nur wer sich dem Überprüfungsverfahren absichtlich entziehen wolle oder seine Sorgfaltspflichten in besonders grobem Maße verletze, verdiene die vorgesehene scharfe Sanktion.«

Im vorliegenden Fall hatte der Antragsteller die Mitteilung schlicht vergessen. Das OLG Zweibrücken hob daher die vom Antragsteller angefochtene Entscheidung auf. Es verblieb bei der Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe.

(Text: Regina Gerdom)