Scheidung im Falle von Demenz
Rudi Assauer ist geschieden! So lauteten die Schlagzeilen im Oktober 2013. Dass ein Promi sich scheiden lässt, ist an sich nichts besonderes.
Anders jedoch im Fall des ehemaligen Schalke 04-Managers. Denn Rudi Assauer leidet an Alzheimer. Er ist dement. Wenn dann eine Scheidung ansteht, wird's kompliziert, macht Regina Gerdom, Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht in Lübbecke (Foto) am Beispiel Assauer deutlich.
Demenz ist eine Volkskrankheit geworden. Nach Angaben der Deutschen Alzheimer Gesellschaft e.V. sind in Deutschland 1,4 Millionen Menschen von einer Demenzerkrankung betroffen. Die Erkrankung führt dazu, dass Demenzkranke ab einem bestimmten Zeitpunkt nicht mehr in der Lage sind, eigene Entscheidungen zu treffen. Sie können ihre Angelegenheiten nicht mehr selbständig regeln. In einem solchen Fall ist die Bestellung eines Betreuers oder einer Betreuerin notwendig, die dann für den Betroffenen die Regelung übernehmen.
Rudi Assauer heiratete im April 2011 seine Frau Britta. Nach etwa einem halben Jahr trennten sich die Eheleute wieder. Rudi Assauer zog im Dezember 2011 aus der gemeinsamen Wohnung aus und bei seiner Tochter ein. Im Frühjahr 2012 machte Rudi Assauer seine Alzheimer Erkrankung bekannt, unter anderem durch eine Fernsehdokumentation und seine Memoiren. Im April 2012 wurde die Tochter von Rudi Assauer zu seiner gesetzlichen Betreuerin „für die Vertretung des Betroffenen in familienrechtlichen Angelegenheiten“ bestellt. Vertreten durch seine Betreuerin reichte Rudi Assauer die Scheidung ein. Seine Frau wollte nicht geschieden werden, denn sie gab an, ihr Mann wolle weiter an der Ehe festhalten.
Damit begann eine juristisch interessante Fragestellung. Kann ein an Alzheimer leidender Patient geschieden werden, wenn er im Zeitpunkt des Abschlusses des Scheidungsverfahrens seinen Willen nicht mehr mitteilen kann?
In einem Scheidungsverfahren soll sich der zuständige Richter persönlich davon überzeugen, dass die Eheleute nicht mehr an der Ehe festhalten wollen. Hierzu wird jeder der Ehegatten einzeln angehört, §128 Abs.1 FamFG. Erst wenn nach Überzeugung des zuständigen Richters feststeht, dass die Eheleute zum Zeitpunkt der Anhörung einen Scheidungswillen besitzen, wird die Ehe geschieden.
Im Falle Rudi Assauers und seiner Ehefrau hat das zuständige Amtsgericht die Ehe mit Beschluss vom 11.01.2013 geschieden. Hiergegen legte die Ehefrau Beschwerde ein, da nach ihrer Auffassung die Voraussetzungen für die Scheidung der Ehe nicht gegeben bzw. nicht bewiesen seien.
Im Beschwerdeverfahren hatte das OLG Hamm diese Frage zu entscheiden. Mit Beschluss vom 16.08.2013 (AZ: 3 UF 43/13) stellte das OLG nach einer umfangreichen Beweisaufnahme fest, dass die Scheidungsvoraussetzungen vorliegen. Es sei ein wirksamer Scheidungsantrag gestellt worden und die Ehe sei nach Überzeugung der zuständigen Richter zerrüttet. Eine Wiederaufnahme der ehelichen Lebensgemeinschaft sei nicht mehr zu erwarten.
Das Trennungsjahr war unstreitig abgelaufen. Zwar stimme die Ehefrau der Scheidung nicht zu mit der Begründung, die räumliche Trennung der Eheleute sei durch eine „Entführung“ des Ehemannes herbeigeführt worden, obwohl sie sich weiter liebten und zusammenleben wollten. Das OLG Hamm stellte jedoch auf Seiten des Ehemannes eine so genannte einseitige Zerrüttung fest, die nach dem Ablauf des Trennungsjahres für eine Scheidung der Beteiligten ausreicht. Hat sich ein Ehepartner endgültig von der Ehe abgewandt, steht der Wunsch des anderen Ehepartners, weiter an der Ehe festzuhalten, der Annahme des Scheiterns der Ehe nicht entgegen.
Hinsichtlich des Scheidungswillens von Rudi Assauer stellte das OLG Hamm fest, dass das Amtsgericht umfangreichen Beweis erhoben hatte über den im Dezember 2011 von Rudi Assauer geäußerten Trennungs- und Scheidungswillen. Zu Recht habe das Amtsgericht festgestellt, dass Rudi Assauer sich damals von seiner Ehefrau trennen und scheiden lassen wollte.
Dieser Ansicht schloss sich das OLG Hamm an. Auch im März 2012, also im nahen Zusammenhang mit dem Scheidungsantrag, habe Rudi Assauer vor Gericht einen nach außen erkennbaren natürlichen Trennungs- und Scheidungswillen gezeigt. Hierfür sei auch keine volle Geschäftsfähigkeit notwendig. Daran ändere auch die Tatsache nichts, dass Rudi Assauer bei einer späteren Anhörung im August 2013 aufgrund seiner deutlich fortgeschrittenen Demenzerkrankung keinen klaren Scheidungswillen mehr bekunden konnte. Zu diesem Zeitpunkt fehlte ihm sogar das Bewusstsein, mit seiner Ehefrau verheiratet zu sein. Auch die Bedeutung einer Ehe oder einer Scheidung konnte er nicht mehr sinnvoll einordnen.
Das OLG entschied: Dass der Ehemann zum Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Scheidungsverfahrens keinen eindeutigen natürlichen Scheidungswillen mehr bekunden konnte, steht der Scheidung nicht entgegen, da der Ehemann zuvor eindeutig seinen Scheidungswillen erklärt hat. Das OLG bestätigte damit den Ausspruch der Ehescheidung durch das Amtsgericht.