• Lübbecke
  • Espelkamp
  • Rahden
  • Pr. Oldendorf
  • Hüllhorst
  • Stemwede

”Scheinväter" haben das Nachsehen

Angeblich ist jedes 10. in einer Ehe in Deutschland geborene Kind ein "Kuckuckskind". Ein Kind also, das nicht vom Ehemann der Kindesmutter abstammt, sondern einen anderen biologischen Vater hat. Rechtlich ist der Ehemann der Kindesmutter jedoch der Vater des Kindes. Für diese Vaterschaft kraft Ehe genügt die Tatsache, dass der Mann zum Zeitpunkt der Geburt des Kindes mit der Mutter verheiratet ist (§1592 Nr.1 BGB).

Damit ist der Ehemann der Kindesmutter dem Kind gegenüber zur Unterhaltsleistung verpflichtet. Da dieser Scheinvater im Regelfall nicht weiß, dass er nicht der biologische Vater ist, wird er den Unterhalt für „sein“ Kind auch erbringen, ob nun in Form von Naturalunterhalt oder Barunterhalt. In vielen Fällen zahlt der Scheinvater jahrelang.

Vaterschaft anfechten

Angeblich ist jedes 10. in einer Ehe in Deutschland geborene Kind ein "Kuckuckskind".Was passiert jedoch, wenn der Scheinvater herausfindet, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist? Grundsätzlich hat der Scheinvater gegen den biologischen Vater einen Anspruch auf Ersatz der Unterhaltsleistungen, die er für das Kind erbracht hat, sagt Regina Gerdom (Foto), Rechtsanwältin und Fachanwältin für Familienrecht in Lübbecke.

Allerdings muss der Scheinvater hierfür erst einmal seine bestehende rechtliche Vaterschaft anfechten. Er muss also ein gerichtliches Verfahren führen um feststellen zu lassen, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist. Hierfür reicht die bloße Behauptung, es bestünde keine biologische Vaterschaft, nicht aus. Es müssen vielmehr nachprüfbare Umstände vorgetragen werden, die an der biologischen Abstammung erhebliche Zweifel wecken.

Hat der Scheinvater seine Vaterschaft erfolgreich gerichtlich angefochten, ist also durch das Gericht festgestellt worden, dass er nicht der biologische Vater des Kindes ist, so ist er rückwirkend von seiner Unterhaltsverpflichtung befreit. Der Scheinvater kann dann dem tatsächlichen Vater gegenüber Regressansprüche geltend machen, also den von ihm zu Unrecht gezahlten Unterhalt für das Kind zurückfordern. Hierfür muss die Vaterschaft des leiblichen Vaters rechtskräftig festgestellt werden. Dies setzt natürlich voraus, dass der tatsächliche Vater des Kindes auch bekannt ist.

Die Kindesmutter weiß im Regelfall, wer der tatsächliche Vater des Kindes ist. Nicht immer ist die Mutter jedoch bereit, den Namen des Vaters zu nennen. Weigert sich die Mutter beharrlich, den tatsächlichen Vater preiszugeben, dann bleibt dem Scheinvater nichts anderes übrig, als die Kindesmutter in einem gerichtlichen Verfahren auf Erteilung der Auskunft in Anspruch zu nehmen.

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in einem gleich gelagerten Fall die Kindesmutter dazu verpflichtet, den Namen des tatsächlichen Vaters zu nennen. Der Scheinvater habe einen Anspruch gegen die Mutter auf Auskunft über die Person, die ihr während der gesetzlichen Empfängniszeit beigewohnt hat (BGH, Entscheidung vom 09.11.2011, AZ: XII ZR 136/09).Dieser Anspruch auf Nennung des tatsächlichen Vaters ergibt sich nicht direkt aus §1605 BGB, sondern die Richter des BGH haben diesen Anspruch aus dem Grundsatz von Treu und Glauben (§242 BGB) hergeleitet. Die Kindesmutter musste den Namen des tatsächlichen Vaters also nennen.

BVG hebt BGH-Urteil auf

Nun hat das Bundesverfassungsgericht jedoch entschieden, dass die Mutter nicht dazu verpflichtet werden kann, Auskunft über die Person des mutmaßlichen Vaters des Kindes zu erteilen. In seiner Entscheidung vom 24.02.2015 (AZ: 1 BvR 472/14) hat das Bundesverfassungsgericht festgestellt, dass diese gerichtliche Verpflichtung die verfassungsrechtlichen Grenzen richterlicher Rechtsfortbildung überschreitet. Es fehlt an einer hinreichend deutlichen Grundlage im geschriebenen Recht.Die Kindesmutter zur Namensnennung zu verpflichten stellt nach Ansicht des Bundesverfassungsgerichts einen schweren Eingriff in das Persönlichkeitsrecht der Mutter dar. Die Kindesmutter selbst dürfe darüber entscheiden, in welcher Form und wem sie Einblick in ihre Intimsphäre und das eigene Geschlechtsleben gewähre.

Da die gesetzliche Grundlage für einen solchen Auskunftsanspruch fehlt, dürfen die Gerichte dem Scheinvater einen solchen Anspruch auch nicht zuerkennen, um damit einen Regressanspruch gegen den leiblichen Vater zu ermöglichen.Scheinväter, die den Namen des tatsächlichen Vaters nicht kennen und diesen nicht freiwillig von der Kindesmutter erfahren, haben somit keine Möglichkeit mehr, die Mutter mit Hilfe der Gerichte zu einer Auskunft zu zwingen.

Es liegt nun also am Gesetzgeber, eine Möglichkeit zu finden, das Interesse der Mutter an der Geheimhaltung ihrer intimen Beziehungen einerseits und das finanzielle Interesse des Scheinvaters andererseits zu einem Ausgleich zu bringen. Solange der Gesetzgeber jedoch keine gesetzliche Grundlage geschaffen hat, kann keine Mutter durch die Gerichte zur Namensnennung verpflichtet werden. Scheinväter haben hierdurch das Nachsehen.