Vererben oder Vermachen: der kleine Unterschied
Leider macht nur ein kleinerer Teil der Bevölkerung von seinem Recht Gebrauch zu bestimmen, was mit seinem Vermögen, dem Nachlass, nach dem Tod geschehen soll. Diejenigen, die sich über die Regelungen nach ihrem Tode Gedanken machen, scheitern häufig an den komplizierten erbrechtlichen Vorschriften und besonderen Begrifflichkeiten. Gut gemeinte Formulierungen führen dann gerade nicht zur Befriedung der Familie, sondern lösen ungewollt und ungeahnt erbitterte Erbenstreitigkeiten aus, weiß die Lübbecker Rechtsanwältin und Notarin Beate Aumann-Kaup.
Abgesehen von den strengen Formvorschriften (Handschriftlichkeit oder notarielle Beurkundung) werden häufig im allgemeinen Sprachgebrauch Begrifflichkeiten verwendet, die in der »erbrechtlichen Realität« zu Unklarheiten oder aber sogar zu unerwünschten Ergebnissen führen. Damit ist der Grundstein für Erbenstreitigkeiten gelegt, die doch gerade vermieden werden sollten. Es ist daher wichtig, sich über die Bedeutung der verwendeten Formulierungen im Klaren zu sein. So werden schon die Begriffe »Vererben – Vermachen« häufig verkannt, denn was ähnlich klingt, ist noch längst nicht dasselbe.
Wichtig ist vor allem, einen Grundsatz unseres Erbrechts zu kennen, nämlich den Grundsatz der »Gesamtrechtsnachfolge«:
Wer als Erbe eingesetzt wird erhält immer das gesamte Vermögen mit allen Aktiva und Passiva, also auch alle Schulden und Verbindlichkeiten, d.h. ein Erbe (oder bei mehreren die Erbengemeinschaft) tritt in die gesamte Rechtsnachfolge des Erblassers ein, er kann folglich nie einen einzelnen Gegenstand »erben«. Ein »Vererben« einzelner Vermögenspositionen wie z.B. das Haus, Auto, Sparbuch oder ähnlichen geht rechtlich nicht.
Häufig zu lesende Formulierungen wie z.B »Ich vermache XXX mein Haus und YYY mein Geldvermögen« bedeutet also nicht, dass diese Personen auch zwangsläufig Erben werden.
Werden in dem Testament nur einzelne Gegenstände »vererbt« oder »vermacht«, stellt sich stets die Frage, wer denn nun eigentlich Erbe sein soll, denn der Nachlass erschöpft sich nie in den verteilten Gegenständen. Und erfahrungsgemäß möchte für die Schulden und Verpflichtungen keiner zuständig sein. Wer muss sich also beispielsweise um den (oft ungeliebten) Hausrat kümmern, die Wohnung auflösen oder die Schulden zahlen ?
In einem Testament muss daher stets auf eindeutige, dem Erbrecht entsprechende Formulierungen geachtet werden.
Wer möchte, dass eine Person oder Organisation bestimmte Vermögenswerte bekommt, kann dies durch die Anordnung eines Vermächtnisses tun. Dieser so Begünstigte wird dann nicht zwangsläufig Erbe, sondern hat lediglich aufgrund des Vermächtnisses einen Anspruch gegen die Erben auf Herausgabe und Übereignung dieses so zugewandten Gegenstandes.
Also Vorsicht bei den Formulierungen, wobei das vorgenannte Beispiel nur eins von vielen Tücken des Erbrechts ist.
Auch wenn dem Testierenden bei der Formulierung seines Testamentes alles klar erscheint, muss dies für die Hinterbliebenen keineswegs so sein. Verschiedene Bedeutungen der verwendeten Begriffe sorgen für Verwirrung und Streit. Fragen kann man den Erblasser nicht mehr, und was er nun wirklich gewollt hat, lässt sich oft nicht mehr aufklären.
Es lohnt sich daher, fachkundigen rechtlichen Rat einzuholen. In diesem Zusammenhang ist auch davon abzuraten, ungeprüft vorformulierte Texte, die verschiedentlich im Internet oder von diversen Ratgebern ausgegeben werden, zu übernehmen. Diese können zwar Anhaltspunkte geben, aber eine individuelle Beratung nie ersetzen. Bedenkt man, wie viel erbitterter und kostspieliger Streit vermieden werden kann, ist dies eine lohnenswerte Investition.
(Text: Beate Aumann-Kaup, Rechtsanwältin und Notarin, Fachanwältin für Familienrecht, Fachanwältin für Erbrecht und Mediatorin mit Kanzlei in der Osnabrücker Str. 3 in Lübbecke)