Spaß am Rad setzt sichere und passende Räder voraus
Lübbecke -
Die Klassen 4a und 4b, dazwischen Isabella Hagemeier, Matthias Bongartz, Elena Hegerding und Ricarda Nolting von der Grundschule im Kleinen Feld; Carsten Lührmann, Jan Weidner und Petra Spona von der Initiative pro Fahrrad, Dezernent Philipp Knappmeyer und Johannes Bökelheide von der Flüchtlingswerkstatt. Es fehlt: Joachim Snethlage von der Polizei. Foto: Andreas Püfke (Stadt Lübbecke)
An der Grundschule Im Kleinen Feld begann kürzlich Übung für den Fahrradführerschein der vierten Klassen mit einem Check der Kinderräder auf Verkehrstauglichkeit. Reflektoren, Klingeln und Zustand der Reifen wurden geprüft, Bremsen, Lichter und Gangschaltung zudem Funktionstests unterzogen. Ziel des Checks war es, den Eltern eine Handreichung mitzugeben, was an den Rädern noch zu reparieren und zu verbessern ist, bevor die Kinder Ende Mai Übungsfahrten nicht nur auf dem Schulhof, sondern auch auf der Straße durchführen. Das natürlich nur unter Begleitung der Polizei, denn die Kinder sollen unter sicheren Bedingungen den Umgang mit dem realen Verkehr und damit Bahngleisen, Bundesstraßen und Kreisverkehren kennen-, einschätzen und meistern lernen. Anfang Juni erfolgt dann die Prüfung.
Joachim Snethlage, bei der Polizei zuständig für die Verkehrserziehung der Kinder, erklärt aus seinen Erfahrungen: „Es ist wichtig, dass die Eltern das Thema Radfahrausbildung ihrer Kinder ernst nehmen und ihren Sprösslingen ein vernünftiges, funktionierendes und auch passendes Rad für ihre Größe bereitstellen. Und sie sollten ihnen auch erklären, wie man damit fährt“ setzt er hinzu. Auf was er anspielt ist schnell erkennbar: Zwar fahren die meisten der hier zum Check bestellten Kinder der Klassen 4a und 4b zügig, geübt und mit viel Spaß über den Schulhof, aber welche Gänge ein angenehmes Fahren ermöglichen ist einigen offenbar nicht bekannt. Und das ein oder andere Fahrrad ist viel zu groß oder zu klein für das darauf sitzende Kind oder der Sattel völlig falsch eingestellt.
Mängel, die gleich beseitigt werden können, werden noch vor Ort erledigt und zwar durch ein Team der Initiative pro Fahrrad Lübbecke, Carsten Lührmann, Jan Weidner und Petra Spona, verstärkt durch Johannes Bökelheide, ehemaliger Lehrer an ebendieser Grundschule und Gründer der Fahrradwerkstatt für Flüchtlinge in Lübbecke. Carsten Lührmann ist angetan von den Kindern: „Ich finde es toll zu sehen, dass scheinbar alle Kinder Spaß am Fahrradfahren haben und sich freuen, wenn das Rad nach dem Check besser funktioniert als vorher“ stellt er in einer Pause fest. Jan Weidner bestätigt diesen Eindruck und bringt es so auf den Punkt: „Ja, die wollen wirklich gut funktionierende und damit angenehm zu fahrende und sichere Fahrräder haben, das merkt man“. Dokumentiert wird auf einem Formular, für das auch Übersetzungen in 7 Sprachen direkt mitgeliefert werden, an welchen Stellen Nachbesserungen zwingend erforderlich sind und an welchen sie darüber hinaus sinnvoll wären.
Die Fahrrad-Check-Aktion ist Auftakt für eine seit Jahresbeginn bestehende Kooperation zwischen der Grundschule Im Kleinen Feld und der Initiative pro Fahrrad Lübbecke. Matthias Bongartz, Sozialarbeiter an der Grundschule und Leiter des Familiengrundschulzentrums Lübbecke, erklärt das so: „Für uns sind Kooperationen in alle Richtungen wichtig, um Menschen von außerhalb der Schule mit in den Schulbetrieb zu integrieren.“ Das bestätigt Philipp Knappmeyer, der für die Schulen zuständige Dezernent der Stadt: „Grundschule wird heute ganz anders gedacht als früher. Sie möchte sich mehr zu den Familien, den Nachbarn, dem Quartier und anderen Interessierten hin öffnen“ erläutert er.
Aber was treibt die Initiative pro Fahrrad? Ihre Sprecherin Petra Spona erläutert, wie es dazu kam: „Wir haben uns 2024 intensiv mit der Frage beschäftigt, was wir dazu beitragen können, dass Kinder mehr und besser Rad fahren, denn Zufußgehen und Radfahren sind die einzigen Formen, wie Kinder selbständig mobil sein können. Selbständige Mobilität aber ist eine wichtige Schlüsselqualifikation für die körperliche und geistige Entwicklung der Kinder und damit zum Erwachsenwerden“ weiß Petra Spona. „Die Fähigkeit, sicher Fahrrad zu fahren, ermöglicht es Kindern, selbständig mittlere Distanzen zu überwinden und damit Freunde zu besuchen, zum Sport zu fahren oder sich an Freizeitstätten zu treffen“ erklärt sie und fährt fort zur Geschichte des Projekts: „Wir sind dann nach vielen Gesprächen auf die Idee gekommen, dass wir einen Bestand an Fahrrädern zusammensammeln und fahrtüchtig halten wollen, um diese an Kinder ausleihen zu können – für die Prüfung, aber auch zum Üben davor. Den Bestand gibt es noch nicht“, lenkt sie ein, „weil wir ja jetzt erst mit dem Aufbau starten, aber zu dieser Fahrradpool-Idee gehört auch, dass wir Polizei und Schule an einzelnen Terminen vor Ort, personell und mit unserem Know-how unterstützen – so wie heute“ macht sie deutlich. Der Check schon zu Beginn der Übungsfahrten ist wichtig, erläutert sie, denn „wenn die Eltern jetzt einen Hinweis bekommen, was sie noch verbessern müssen, ist deutlich eher gesichert, dass die Kinder auch an der Radfahrprüfung teilnehmen dürfen“.
Jan Weidner und Carsten Lührmann (v.l.) von der Initiative pro Fahrrad beim Check eines Kinderrades. Foto: Petra Spona (IpF)
Dass das eine realistische Einschätzung ist bestätigt Isabella Hagemeier, Leiterin der Grundschule. Auch sie sieht die Notwendigkeit der Unterstützung für die Schule, aber auch die Eltern: „Das Projekt ist phantastisch und hilft uns sehr, denn in der Vergangenheit war der Zustand mancher Kinderräder so schlecht, dass einige Kinder nicht am Training oder an der Prüfung teilnehmen konnten“ bedauert sie. „Manche haben nicht einmal selbst Räder“, ergänzt sie, „aber ein eigenes, funktionstüchtiges und auf die Größe des Kindes passendes Rad ist die einzige Chance der Kinder, im Straßenverkehr kompetent zu werden“ betont sie. Leider seien „manche Eltern aus verständlichen Gründen selbst überfordert damit, passende und funktionstüchtige Räder zur Verfügung zu stellen, auch für die soll dieses Projekt eine Hilfe sein“.
Nach Aussagen der Initiative pro Fahrrad soll das Projekt zukünftig auch auf andere Schulen ausgeweitet werden, sobald es sich etabliert hat. Wer Fragen zum Projekt hat oder helfen möchte kann sich an die Schule wenden oder direkt an die Initiative pro Fahrrad, am besten über E-Mail (info@pro-fahrrad-lk.de) Kontakt aufnehmen.
Fahrradwerkstatt am Umwelthof bietet Raum um das Fahrrad selber wieder flott zu machen.
Für diejenigen Schülerinnen und Schülern und Eltern, denen das technische Verständnis für eine eigene Reparatur oder das Geld für eine externe Reparaturleistung fehlt hat Johannes Bökelheide ein Angebot: „Die Flüchtlings-Fahrradwerkstatt am Umwelthof neben der Tafel in der Bohlenstraße 87 ist jeden Dienstag von 15 bis 18 Uhr geöffnet. Wer Probleme mit seinem Rad hat kann gerne vorbeikommen und bekommt Werkzeug und Anleitung, um das Fahrrad eigenständig flott zu machen – kostenlos“ erklärt er.
Die Initiative pro Fahrrad sucht nach Unterstützung, und zwar auf zweierlei Art:
Um die späteren Übungsfahrten zu absolvieren, die dann schon im öffentlichen Raum durchgeführt werden, werden Personen benötigt, die mit dem Rad die Kinder begleiten. Am Prüfungstag werden Menschen gebraucht, die an bestimmten Stellen stehen und notieren, wie sich das Kind im Verkehr verhalten hat. Die Anweisungen kommen von der Polizei, für die Helferinnen und Helfer möchte die Fahrradinitiative eine Gruppe von Leuten zusammenstellen, die man für einzelne Vormittage fragen kann. Je mehr sich generell an diesem „Helfer-Pool“ beteiligen, desto weniger zeitliche Belastung für die Einzelnen. Wer sich das vorstellen kann melde sich bitte unter 0176/82170457 (Petra Spona) oder info@pro-fahrrad-lk.de.
Für den Bestand an Leihrädern sammelt die Initiative pro Fahrrad noch Kinderräder, aktuell mit Schwerpunkt 4. Klasse. Damit die Fahrräder für die Kinder möglichst hilfreich und für die Initiative gut wartbar sind, wären folgende Eigenschaften ideal:
- möglichst einsatzbereiter Zustand, kleinere Reparaturen oder Tauschen von Verschleißteilen können wir natürlich durchführen
- 24 bis 26 Zoll Reifengröße
- gerne ohne Schaltung, wenn Gangschaltung dann besser Naben- statt Kettenschaltung (weniger anfällig, einfachere Bedienung)
- Schutzbleche, da die Übungen auch bei nasser Straße stattfinden
- möglichst vollständige Verkehrssicherheit
- idealerweise mit Nabendynamo (wenig Tretwiderstand, wartungsarm)
Wer Räder schenken oder zu günstigen Preisen anbieten möchte melde sich bitte per E-Mail und möglichst gleich mit einem Foto des Objekts an schulraeder@pro-fahrrad-lk.de.
Für das Erlernen des Radfahrens und von Koordinationsfähigkeiten nimmt die Initiative auch kleinere Räder sowie gut erhaltene Laufräder oder Roller, beide möglichst mit Bremsen, an.