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Vor der ersten Besiedlung bis zur ersten Erwähnung des Ortes Lübbecke

Lübbecke -

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Die Schere, die Spinnwirtel und das Flachbeil aus Wiehengebirgslydit gehören zum Bestand des Museums der Stadt Lübbecke. Foto: Stadtarchiv Lübbecke

Nun ist das Jubiläumsjahr da! Wir feiern 1250 Jahre Lübbecke! Das Stadtarchiv nimmt das zum Anlass, bis zum Jahresende immer wieder einmal ein bestimmtes Thema der Lokalgeschichte näher in den Blick zu nehmen. Den Auftakt bildet die Besiedlung des Landes bis zur ersten Erwähnung des Ortes Lübbecke. Die ersten Menschen lebten hier nämlich bereits lange vor der ersten schriftlichen Erwähnung des Ortes.

Für die Alt- und Mittelsteinzeit – die Zeit der Jäger und Sammler – liegen aus dem Lübbecker Raum bislang noch keine archäologischen Funde vor. Aber Steinbeile und durchbohrte Äxte aus der Jungsteinzeit bezeugen, dass das Wiehengebirgsvorland spätestens seit dem 3. Jahrtausend vor Christus von Ackerbauern und Viehzüchtern besiedelt war.
An mehreren Orten fand man Steinbeile aus sogenanntem „Wiehengebirgslydit“. Weil sie so zahlreich erhalten sind, wird vermutet, dass sie bereits serienmäßig hergestellt und dann auf Tauschbasis gehandelt wurden. Solche Flachbeile sind typisch für die Trichterbecherkultur (um 3.000 vor Christus). Die Beile fanden sowohl im Emsland, als auch im Osnabrücker Gebiet und in der Mindener Gegend Verwendung.

Im Laufe der jüngeren Bronzezeit und frühen Eisenzeit (ca. 1.300 v. Chr. bis Chr. Geburt) entstanden in dem nun dichter besiedelten Land zahlreiche Urnenfriedhöfe. Besonders bekannt wurden die Beisetzungen im „Wiemelkenmoor“ in Tonnenheide. Dort fand man zwischen 1910 und der Mitte der 1920er-Jahre zahlreiche Urnengräber. Viele von ihnen wurden bei der Kultivierung des Landes eingeebnet. Zuvor gemachte Untersuchungen belegen jedoch, dass die Toten auf Scheiterhaufen verbrannt und ihre Knochenreste in Tongefäßen verschiedener Form beigesetzt worden waren. Gelegentlich fand man in den Urnen kleine Tongefäße für Speise- und Trankopfer sowie Schmucknadeln und Messer aus Bronze als Grabbeigaben. Über den Urnenbestattungen erhoben sich Grabhügel. Sie waren durchschnittlich 1 Meter hoch und besaßen einen Durchmesser von etwa 10 bis 25 Metern.

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Die Urnenfunde aus dem Wiemelkenmoor (Tonnenheide) werden im Museum der Stadt Lübbecke gesichert. Foto: Stadtarchiv Lübbecke


Diese Art der Beisetzung war hierzulande auch zur Römerzeit noch typisch für die germanischen Stämme. Ursprünglich waren sie in Mittel- und Osteuropa beheimatet, lebten in Einzelhäusern oder kleinen Dörfern und waren Viehzüchter und Wanderbauern. Die Gewinnung von Erz und die Metallverarbeitung stellten wichtige Wirtschaftsfaktoren für sie dar. Neben dem Schmieden von Waffen nutzten die Menschen ihre Fähigkeiten auch schon zur Herstellung von Schmuck. Sie produzierten Schnallen und Nadeln, mit denen sie ihre Kleidungsstücke zusammenhielten. Manche Nadeln waren reich verziert.

Die Germanen entwickelten einen regen Handel mit den Kelten und Römern. Gleichzeitig versuchten sie jedoch, ihr Siedlungsgebiet zu vergrößern und scheuten dabei auch keine Kampfhandlungen. Bekannt ist die Schlacht des Arminius gegen den römischen Feldherrn Quinctilius Varus um 9 nach Christus. Die Schlacht wurde für die Römer, die damals über die mächtigste Armee der Zeit verfügten, zu einer verheerenden Niederlage. Diese so genannte Varusschlacht trug dazu bei, dass die Germanen zwar als Barbaren galten – aber auch mit Tugenden wie Tapferkeit, Treue und Unbestechlichkeit in Verbindung gebracht wurden.

Nach der Völkerwanderung bot die europäische Landkarte ein völlig verändertes Bild, aber zwei germanische Reichsgründungen jener Zeit bestehen – in veränderter Form – bis heute: Das Reich der Franken (Frankreich) und das Reich der Angeln und Sachsen (England).
Seine größte Bedeutung erfuhr das Frankenreich unter Karl d. Gr., der seit 768 König der Franken war und Weihnachten 800 von Papst Leo III. in Rom zum Kaiser gekrönt wurde. Karl verstand sich nicht nur als direkter Nachfolger der römischen Kaiser, sondern auch als Beschützer des Papstes und des christlichen Glaubens. Deshalb wollte Karl d. Gr. dem Christentum in seinem Reich als alleiniger Religion Geltung verschaffen und seinem Herrschaftsgebiet auch die sächsischen Gebiete einverleiben.

Das Jahr 772 markierte einen entscheidenden Einschnitt in der sächsischen Geschichte. In den Fränkischen Reichsannalen wurde festgehalten, die fränkischen Truppen um Karl d. Gr. seien gegen den sächsischen Teilstamm der Engern ins Feld gezogen. Eine wichtige Rolle spielte bei den Sachsen damals die Eresburg. Sie befand sich auf dem Tafelberg bei Marsberg-Obermarsberg. In ihrer Nähe soll sich das sächsische Heiligtum der Irminsul befunden haben. Dabei handelte es sich offenbar um eine kultisch wichtige Holzsäule, die auch als Versammlungsort diente. Dergleichen Heiligtümer waren zur Zeit der Christianisierung Sachsens stark umkämpft. So folgte auf die Eroberung der Eresburg und die Zerstörung der Irminsul durch fränkische Truppen verständlicher Weise der erbitterte Widerstand der sächsischen Stämme. Mehrfach kämpften sie gegen die Franken, um dadurch ihr bisheriges gesellschaftliches und religiöses Gefüge zu verteidigen. Die Sachsen bildeten damals keinen geschlossenen Volksstamm, sondern gliederten sich in verschiedene Völkerschaften und Gruppen bzw. Stämme, die jeweils einem eigenen Anführer unterstanden und auch gegeneinander in den Krieg zogen. Bei Angriffen von Dritten jedoch schlossen die Germanen sich bei Bedarf zu größeren Verbänden zusammen. Einer ihrer Anführer war der Adelige Widukind („Wittekind“).

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Kennzeichnung der Fundstellen im Wiemelkenmoor durch Menschen und auf Stöcke gesteckte Hüte, 1920er-Jahre. Foto: Stadtarchiv Lübbecke


In diese Zeit der Sachsenkriege fällt das älteste schriftliche Zeugnis über den Ort Lübbecke als Zentralort eines sächsischen Gaues. Die Ersterwähnung bezieht sich auf das Jahr 775 und ist der Grund, weshalb Lübbecke im Jahre 2025 das 1250-jährige Jubiläum feiert. Lübbecke wird in mehreren Quellen zu diesem Jahre erwähnt, unter anderem als „hlidbeki“. Der heutige Ortsname Lübbecke leitet sich davon ab und ist als „klarer Bach“ zu deuten. Offenbar konnte das Wasser der Ronceva als Trinkwasser genutzt werden. Das hatte die Besiedlung des zentralen Ortes möglich gemacht.

Allerdings befindet sich keine Quelle der Ersterwähnung Lübbeckes im hiesigen Stadtarchiv, sondern u. a. in der Österreichischen Nationalbibliothek in Wien. Die Fränkischen Reichsannalen erster Fassung berichten zum Jahre 775 nur kurz von einem sächsischen Überfall auf ein fränkisches Heerlager in Lübbecke. Die zweite Fassung der Annalen ist deutlich ausführlicher und hält fest, Karl habe eine Heeresabteilung an die Weser beordert. Die Soldaten schlugen ihr Lager in oder bei Lübbecke auf. Um für die Verpflegung der Soldaten und der mitgeführten Tiere zu sorgen, durchstreiften fränkische Futterholer das Land. Als diese ins Lager zurückkehrten, mischten sich heimlich sächsische Krieger unter sie und überfielen die schlafenden und ruhenden Franken. Offenbar gab es dabei ein großes Blutbad.
Doch nachdem die sächsischen Kämpfer zunächst siegreich erschienen, wendete sich das Blatt dann doch zu Gunsten der Franken. Karl d. Gr. eilte mit zusätzlichen Truppen herbei. Sie setzten den fliehenden Sachsen nach und töteten viele von ihnen. Zur Sicherung des Friedens wurden sächsische Geiseln genommen. Ob auch Widukind 775 an den hiesigen Kampfhandlungen beteiligt war, geht aus den Quellen nicht hervor.

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Auszug aus: August von Oppermann und Carl Schuchhardt. Atlas vorgeschichtlicher Befestigungen in Niedersachsen. Hannover, Gersbach, 1916. Quelle: Stadtarchiv Lübbecke

Was auch immer sich in Lübbecke damals genau ereignete: Die hiesige Bevölkerung konnte damals eine große Fluchtburg, die Babilonie, nutzen. Sie befand sich auf einem Plateau im Wiehengebirge bei Obermehnen. Reste der etwa 12 Hektar großen Anlage lassen sich heute noch finden. Sie war mit mehreren Wällen befestigt. Deshalb wird die Babilonie auch als Wallburg bezeichnet. Ihre Nordseite war etwa 550 Meter lang. Der Wall an der Ostseite maß ungefähr 750 Meter. Der westliche Wall hatte eine Länge von circa 450 Metern. Der Baubeginn reichte in der Vorrömischen Eisenzeit (um Christi Geburt) zurück. Bis zum Mittelalter lassen sich mehrere Bauperioden nachweisen.

Im Zuge der fast 30 Jahre dauernden Sachsenkriege gegen Karl d. Gr. dürfte die Babilonie mehrfach als Zufluchtsort genutzt worden sein, denn die Missionsarbeit wird gefährlich und langwierig gewesen sein. Das machen ab etwa 782 auch die Bestimmungen der „Capitulatio de partibus Saxoniae“ deutlich. Der Gesetzestext diente zur Festigung der fränkischen Macht über die besiegten Sachsen. Karl drohte den immer wieder rebellierenden Sachsen darin drakonische Strafen an. Der Gesetzestext rief unter anderem zum Schutz neu gegründeter Kirchen und Kapellen auf. So drohte zum Beispiel jedem die Todesstrafe, der gewaltsam eine Kirche erstürmte, ihr mit Gewalt oder Diebstahl etwas wegnahm oder sie in Flammen aufgehen ließ. Auch für die Verweigerung der Taufe oder bei Widerstand gegen das Frankenreich wurde die Todesstrafe verhängt. Gleiches galt für jene, die Verstorbene nach heidnischem Brauch bestatteten, indem sie den Körper des Verstorbenen verbrannten und die Überreste auf heidnischen Kultstätten statt auf christlichen Friedhöfen beerdigten. Hohe Geldstrafen wurden verhängt, wenn jemand beim heidnischen Götzendienst angetroffen wurde.
Die Liste der gesetzlichen Bestimmungen war lang und ließ keinen Zweifel daran aufkommen, dass im Fränkischen Reich nur das Christentum geduldet und die Unterwerfung der Sachsen unerbittlich vorangetrieben werden sollte. Es handelte sich also um gravierende Einschnitte in die sächsische Stammesgewohnheiten.

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Das von Karl d. Gr. verwendete Monogramm (hier: Bronzeplatte zur Kennzeichnung einer Route durch Aachen, 2024), greift die Kreuzform auf. Karl selbst beherrschte das Schreiben nicht. Erst mit seinem Vollziehungsstrich innerhalb der Raute gewann das Signum die offizielle Gültigkeit. Foto: Stadtarchiv Lübbecke

Doch wie kam es nun tatsächlich zur Mission im heutigen Minden-Lübbecker Gebiet?
Der in England geborene Mönch Bonifatius (deutscher Name: Winfried) ist bis heute vielen dem Namen nach bekannt. Er wurde von Papst Gregor II. als „Heidenapostel“ in das Gebiet des heutigen Deutschlands entsandt. Zu den zahlreichen Kirchen und Klöstern, die Bonifatius gründete, gehörte im Jahre 744 das Kloster Fulda. Der Gründerabt des Klosters, Sturmi, verstarb 779. Sein Nachfolger war der Fuldaer Mönch Erkanbert. Er veranlasste die Missionierung auch des Minden-Lübbecker Landes, so dass Karl d. Gr. bereits um 800 das Bistum Minden gründen konnte. Erkanbert wurde dort zum ersten Bischof.

Auch die damalige Lübbecker Bevölkerung wurde zum Christentum bekehrt. Vielleicht hatte sich am Standort der heutigen Lübbecker St.-Andreas-Kirche zuvor bereits ein heidnischer Kultort der Sachsen befunden. Solche Orte für den Bau christlicher Gotteshäuser zu nutzen, wäre seinerzeit nicht ungewöhnlich gewesen. So hätte man der Bevölkerung durch die Zerstörung ihres heidnischen Opferplatzes signalisiert, dass der christliche Gott stärker als die heidnischen Gottheiten war. Außerdem hätte man es sich zu Nutze gemacht, dass die Menschen es bereits gewohnt waren, diesen Ort für ihre bisherigen religiösen Zusammenkünfte aufzusuchen. Mancherorts dürften die Sachsen mit Widerstand reagiert haben. Ob womöglich auch in Lübbecke das erste christliche Gotteshaus zunächst noch durch die Sachsen zerstört wurde, ließ sich bislang nicht klären. Bekannt ist jedoch, dass der Ort Lübbecke sich schnell zum Zentrum eines Urkirchspiels im Bistum Minden entwickelte. Er wird daher schon um 800 eine erste kleine Kirche gehabt haben.

Lübbecke entwickelte sich im Folgenden stetig weiter und wurde 1279 vom Mindener Bischof Volquin von Schwalenberg zur Stadt erhoben. Der gelbe Punkt über dem ersten „i“ im Jubiläumslogo „hlidbeki“ erinnert daran. Doch das ist eine andere Geschichte und um die geht es dann im zweiten Teil dieser Reihe.

Quelle: Stadt Lübbecke